[performative research]

„Kunst kann nur mit eigenen Mitteln erforscht werden“

© Patricia Hoeppe ‚Performed City’, Performance Press International 2015, S. 14ff.

 

Die künstlerisch-performative Forschung=artistic performative research

 

Sich verorten, seinen Platz finden und auch anderen ihren zuzugestehen, ist das Leitmotiv (dieses Projektes) und scheint auch die global-soziale Frage unserer Zeit zu sein. Als „Soziale Plastik“ (1) hat Performance-Kunst die Vision und die Kraft, gesellschaftliche Themen aufzugreifen und zu formen. Ein demokratischer Staat formt sich durch seine Bürger. Eine bürgerliche Verantwortung zeichnet sich sowohl durch ihre fortwährenden Selbstformungs- als auch ihre gesellschaftlichen Formungsprozesse aus. Ein demokratischer Staat braucht handlungsfähige Bürger für ein gutes Zusammenleben, die Freiheit, Schutz und andere Menschenrechte nicht nur vorleben, sondern diese Werte in die Gesellschaft verorten. Verortung und Handlungsbefähigung der Bürger scheinen die Befähigungen zur Integration zu sein. Und die Performativen Künste stellen durch ihren höchst demokratischen Charakter die Methoden zur Verankerung dieser Qualitäten in die Gesellschaft zur Verfügung…
…Die Forschungsmethoden sind andere als die der mit empirischen Forschungsmethoden der Wissenschaft vertraute Aufgeklärte kennt. Es sind künstlerische, genauer gesagt performative. „Performative research“ ist eingebettet in „artistic research“. Gegenstand der artistic research, der künstlerischen Forschung, ist Kunst. Jedoch ist es nicht ein Forschen über Kunst, so wie es die Kunstwissenschaftler mit empirisch-wissenschaftlichen Methoden vollziehen und bei dem der Aspekt einer Instrumentalisierung von Kunst zu Ungunsten ihres Eigensinns und Autonomie mitschwingt. Auch ist es nicht ein Forschen für die Kunst, die ein Forschen über Materialität und Techniken zur künstlerischen Anwendung im Blick hat. Artistic research ist vielmehr ein Forschen durch die Kunst und in der Kunst (2). Letztere beschreibt Donald Schon als „ Reflexion in Aktion“ (3), die eine „performative Perspektive“ eröffne, bei der keine Trennung von Subjekt (dem Forschenden) und Objekt (den Beforschten), sondern eine Begegnung auf Augenhöhe stattfindet und die charakterisiert ist durch Handeln (4). Diese practice-led research, die performative research besitzt die Besonderheit, dass sie im Moment der Erforschung bereits wirklichkeitskonstituierend wirkt (5). Zunächst steht das Erfassen der zu erforschenden Situation im Vordergrund, in der die „performative Aufführungssituation als Seismograph energetischer Kommunikationsprozesse“ (6) dient, so der Theaterwissenschaftler Frank Matzke; und gleichzeitig stellt sie bereits eine neue Situation her. Die Performance, die zunächst zur Erfassung der Situation dient, kann im gleichen Moment bereits eine Antwort auf die Forschungsfrage darstellen und eine wiederum weiterführende implizieren. Ihr Setting findet in Form von Versuchsanordnung und künstlerischen Experimenten statt (7).Nach Henk Borgdorff ist Künstlerische Forschung=artistic research charakterisiert durch ihr Objekt, ihren Prozess und ihren Kontext (8). Da die artistic research hier spezifisch eine performative research ist, unterliegen die künstlerischen Methoden Performance-Kriterien (9). Das zu untersuchende Forschungsobjekt ist deshalb situativ platziert und eingebettet (10) und der Prozess nicht vom Objekt zu trennen…